- Kaiserthermen
- KaiserthermenObwohl bereits die griechische Kultur - vor allem im Bereich der Gymnasien - über Bäder verfügte, wurden diese doch erst durch die Römer zu großen, prunkvollen Anlagen weiterentwickelt. Die ältesten bekannten römischen Bäder des 2. Jahrhunderts v. Chr., die besonders in den Städten Kampaniens in privaten Häusern und Villen, aber auch als öffentlich zugängliche Badeanstalten fassbar sind, waren oft als Abfolge mehrerer in einer Reihe liegender Räume gestaltet, welche von den Besuchern auf dem Hin- und Rückweg durchschritten wurden. Die Gestaltung von Doppelreihenanlagen, welche eine Trennung in Männer- und Frauenbad gestattete, stellte dann in der Folge einen beträchtlichen Fortschritt für den Badebetrieb dar.Den zentralen Stellenwert der Badeanlagen in der römischen Kultur bezeugt die Überlieferung: Bereits im Jahr 33 v. Chr. zählte man allein in Rom 170 Bäder, deren Anzahl später auf über 800 anstieg. In den größeren Städten des gesamten Römischen Reichs, in welche man sie gleichsam von der Hauptstadt aus »exportierte«, verfügten alle repräsentativen Häuser und Villen über private Bäder. Eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Badeanlagen wurde an den Verkehrsknotenpunkten und innerhalb der Wohngebiete errichtet; Frauen zahlten allerdings für teilweise nur ihnen vorbehaltene Badestunden den doppelten Eintrittspreis oder konnten nur kleinere Räume benutzen. Auch jedes Legionslager und jede Festung waren mit Bädern ausgestattet.In der Kaiserzeit wurden dann, meist als Stiftungen der Herrscherhäuser oder aus vermögender privater Hand, immer größere und prunkvollere öffentliche Bäder (Thermae Imperii Romani) angelegt. Deren zunehmend anspruchsvolle Architektur sollte ebenso wie deren verschwenderische Ausstattung die souveräne Macht des römischen Imperiums wie auch das gesellschaftliche Ansehen der jeweiligen Stifter dokumentieren. So berichtet etwa Seneca, Philosoph und Ratgeber Neros, von kunstvollen Wandverkleidungen aus verschiedenfarbigen Marmorsorten, bunten Wand- und Bodenmosaiken, Wasserhähnen aus kostbaren Edelmetallen sowie von zahlreichen Standbildern, welche die verschiedenen Räume der Badeanlagen schmückten. Im 2., 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. zeigten die Thermenanlagen schließlich architektonische Konzepte und Konstruktionsformen, die die Architektur der Renaissance, des Barock und des Klassizismus - nicht zuletzt auch als Zeugnisse für die hoch entwickelten römischen Gewölbetechniken - mehr als irgendeine andere römische Bauform inspiriert und beeinflusst haben. Stellvertretend seien hier nur die in Rom selbst befindlichen Thermen der Kaiser Trajan (109 n. Chr. eröffnet), Caracalla (216 n. Chr.) und Diokletian (305/306 n. Chr.) sowie die unter Konstantin, dem Großen erbauten Kaiserthermen in Trier genannt. Die einzelnen Raumgruppen der Kaiserthermen waren dabei - unabhängig von ihren durchaus variierenden Grundrissen - einer weitgehend gleich bleibenden, vom üblichen Ablauf des Badevorgangs her bestimmten Abfolge unterworfen.In diesem riesigen Dienstleistungsbetrieb mussten unzählige Sklaven als Aufseher, Badewärter und Masseure, aber auch als Heizer, Handwerker und »Ingenieure« beschäftigt werden, um die technisch komplizierte Wasserver- und -entsorgung sowie die Beheizung und Belüftung der Räume einer solchen Anlage zu gewährleisteten. Zu allen Thermen gehörten umfangreiche Zisternenanlagen - die der Caracallathermen fassten 80 000 Liter Wasser -, aus denen das Wasser mit den für die römischen Aquädukte entwickelten Verteilungssystemen in die einzelnen Räume des Bades weitergeleitet wurde. »Wasserschlösser« fungierten als Kläranlagen. Die Erzeugung von warmem Wasser war an eine sorgfältig geplante Heizungsanlage gekoppelt, wobei sich die von zahlreichen Feuerstellen erwärmten, oft als ummauerte Durchlauferhitzer konstruierten Kessel in Bedienungsräumen neben den Badesälen befanden. Warmbaderäume waren mit einer auch im römischen Hausbau verwendeten Wärme speichernden Fußbodenheizung (Hypokausten) unterlegt; Wandhohlräume, später sogar Decken- oder Gewölbehohlräume, in welche die Heizgase und Warmluft geleitet wurden, schufen umfassend wärmende Raumhüllen.All diese technischen Einrichtungen blieben den Augen der Badegäste jedoch verborgen, die sich neben dem eigentlichen Badevorgang an der schattigen Kühle der Gärten und ihrer Brunnenanlagen, aber auch an der immer verschwenderischer werdenden Ausstattung der Räume mit Mosaiken, Wandmalereien und Statuen erfreuen konnten. Die überaus zahlreichen Standbilder aus Marmor und Bronze nahmen dabei thematisch keineswegs nur auf den Badebetrieb Bezug, sondern zeigten neben Wassergottheiten, Nymphen und Athleten auch lehrreiche Sinnbilder der Mythologie, Porträts der Herrscher und ihrer Familie sowie Bildnisse berühmter Dichter und Philosophen. Überhaupt dienten die Thermen keineswegs nur als Bäder im heutigen Sinn, sondern als wichtige kulturelle Zentren, in denen man regelmäßig Freunde zum entspannten Gedankenaustausch traf. Neben Gastronomiebetrieben, Verkaufsständen für Getränke und Süßwaren, mobilen Garküchen und Kupplern, welche sich zur Befriedigung sämtlicher sinnlicher Genüsse meist in den umfangreichen äußeren Umfassungsgebäuden der Badeanlagen niedergelassen hatten, beherbergten die Anlagen auch Bibliotheken und gaben Schriftstellern und Philosophen die Gelegenheit, dort Vorträge zu halten oder aus ihren Werken zu lesen. Die Thermen entsprachen damit einem später oft missverstandenen römischen Ideal, welches der Dichter Juvenal mit dem berühmten Satz »Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper« umschrieben hat.Dr. Caterina Maderna-LauterDas alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Ende der Antike. Die römische Kunst in der Zeit von Septimius Severus bis Theodosius I. Aus dem Italienischen übersetzt von A. Seling u. a. München 1971.Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.Coarelli, Filippo: Rom. Ein archäologischer Führer. Aus dem Italienischen. Freiburg im Breisgau u. a. 41989.Weber, Marga: Antike Badekultur. München 1996.
Universal-Lexikon. 2012.